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ANSPRUCH

RÄUME GESTALTEN

„Wenn ich ein Werk beginne, erkenne ich kaum, wohin ich mich begebe. Ich sehe lediglich eine ungefähre Raumgestalt, bei der sich nach und nach ein paar Kraftlinien abzeichnen. Zu Beginn ist die Form wie ein unbestimmtes Aroma, das sich durchsetzt, je mehr es Gestalt annimmt“. Eduardo Chillida

Meiner Auffassung nach, ist der Architekt in erster Linie ein Generalist, der sich hauptsächlich mit Gestaltung befasst und sich gestalterische Kompetenz angeeignet hat. Das besondere Interesse gilt dabei dem Raum, seiner Gestalt und seiner Form. Vor allem dieses Interesse und Anliegen ist es, so denke ich, was das alltägliche Bauen von Architektur unterscheidet. Diese Haltung verbindet uns mit vorausgegangenen Bauten, Stilen und Kulturen und sollte, ja muss im Ergebnis zeigen, dass Architektur - wenn sie gelungen ist und von den Bewohnern und Nutzern angenommen wird - kein kommerzielles, kurzlebiges Produkt und keine bloße Dienstleistung ist, sondern eben viel mehr als das. Architektur ist kein bloßes Renditeprojekt, sondern ist neben unserer eigenen, leiblichen Haut und der getragenen, sich täglich wechselnden Kleidung als zweiter Haut die sogenannte dritte Haut die uns ständig umgibt, uns umfängt und unsere Befindlichkeiten, Stimmungen und Wahrnehmungen stark beeinflussen und prägen kann. Architektur ist Lebensraum, ist gelebter und mit allen Sinnen wahrnehmbarer und erlebbarer Raum!

 

HANDWERKLICHE QUALITÄT

Es gibt heutzutage nahezu endlose, sich stets weiter erweiternde Wahl- und Auswahlmöglichkeiten. Im Bereich der Materialien zum Beispiel sind zahllose künstliche Stoffe und Imitate entwickelt worden. Es gibt Fliesen, die aussehen wie Holzparkettdielen (sogar in großen Formaten), es gibt Ziegelsteine, die überwiegend mit Dämmung gefüllt und so ausgedünnt sind, dass sie kaum mehr tragen. Oder auch Kunststoffplatten in Steinoptik, die vorgeben Naturstein zu sein und diesem täuschend echt ähnlich sehen. Allerdings nur auf den ersten Blick. Die haptischen und taktilen Eigenschaften dieser Stoffe sprechen eine ganz andere Sprache. Ähnliches gilt für die Wahl von Formen, von konstruktiven Möglichkeiten, Bauweisen und sogar Haustypen (Stichwort Toskanahaus). Alles scheint möglich. Um angesichts dieser Qual der Wahl nicht den Überblick und das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren, geht es meiner Meinung nach darum, sich auf „handwerkliche“ Qualitäten zurückzubesinnen. Dies soll ein Plädoyer sein für eine ehrliche, zeitgemäße und authentische Gestaltung sowie für ein aufmerksames und sorgfältiges „Machen der Dinge“ welche sich an ihrer Gestaltqualität, ihrer Gebrauchstauglichkeit und vor allem ihrer Dauerhaftigkeit messen lassen können.

 

SPIELRÄUME NUTZEN

Die gestellten Anforderungen an das Bauen im Allgemeinen und die Architektur im Besonderen sind von allen Seiten her stark gestiegen. Das betrifft Ansprüche und Vorgaben des Bauherrn, wie die immer zahlreicher und unübersichtlicher werdenden behördlichen Auflagen und Vorschriften, Richtlinien und Normen, als auch die in der Folge massiv gestiegenen Anforderungen an die Ausführung und die präzise Umsetzung des Gedachten und Geplanten durch ortskundige Handwerker und Fachfirmen. Zahllose von der Industrie angebotene Materialien, Baustoffe und Produkte tun hierzu noch ihr Übriges. In diesem Kontext stellt sich die Frage, auf welche Weise man innerhalb dieser Zwänge als Architekt überhaupt noch Gestalten kann? Aus meiner Sicht muss das Primat und vorrangige Ziel unserer Arbeit die Gestaltung bleiben. Architektur als Raumgestaltung ist es, die einprägsame und wiedererkennbare Orte für Menschen schaffen kann und immer schon geschaffen hat, wie ein Blick in die Vergangenheit der Baukultur zeigt. Orte, die überhaupt erst durch das Gebaute zu Orten werden. Orte, an denen Menschen sich treffen und wohlfühlen können. Orte, die Identität stiften und Orte, die von kultureller Bedeutung sind, weil sie auch bestehende Traditionen als „verborgene“ Wahrheiten nicht außer Acht lassen. Für die alltägliche Praxis bedeutet dies, dass innerhalb dieser Vorgaben die noch verfügbaren und möglichen Spielräume aufgespürt, interpretiert und genutzt werden müssen, nach Möglichkeit ergänzt um weitere Zusatznutzen und den viel gepriesenen Mehrwert.

 

BEWERTUNGSMASSTÄBE

Auch wenn die tägliche Architektenarbeit zu einem überwiegenden Teil aus ganz pragmatischen Inhalten besteht, so sind es doch die grundlegenden architektonischen Fragen, zu denen man Stellung beziehen und auf die man projektweise immer aufs Neue Aussagen treffen muss. Diese können zur Qualitätsbestimmung und als Hilfe zum ´Lesen´ von Architektur ebenso hervorragend verwendet werden:

 

Allgemein

Welchem Denken verdanken sich
die getroffenen Entwurfsentscheidungen?

 

Was sind die wesentlichen
Motive für den Entwurf?

 

Stadt und Ort

Wie erfolgt der Umgang mit dem Klima,
dem Ort, dem Kontext und dem Bestand?

Welcher Art sind die
Eingriffe in Topographie und Terrain?

Was ist die tragende,
städtebauliche Raumidee?

 

Haus und Bauwerk

Lesbarkeit und Robustheit der
baulichen Struktur und der inneren Raumordnung?

Wie erfolgt die Behandlung des einfallenden
Tageslichts, wie die Lichtführung?

Wie ist die Wirkung und der Ausdruck der Räume zu
verschiedenen Tages- und Jahreszeiten?

Detail und Material

Unterstützen Detaillierung sowie Material- und Farbkonzept
die Raumidee und die Innenraumgestaltung?

Welche haptischen und taktilen Qualitäten
haben die gewählten Materialien und Oberflächen?

Sind Details und Materialauswahl auf Gebrauchstauglichkeit,
Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit hin entwickelt?